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Podiumsdiskussion Digitalisierung

„Die USA agieren laut. China leise. Europa ist Sprachlos.“

Ein Frage mit Sprengkraft: Digitale Globalisierung – Verlieren wir den Anschluss? Große US-Konzerne dominieren das Geschäft mit Software, Cloudcomputing und künstlicher Intelligenz. Asiatische Anbieter liefern die Computer-Chips und andere Hardware. Macht sich Deutschland wirtschaftlich abhängig und politisch angreifbar?

Standortbestimmung von Dr. Katrin Suder, Vorsitzende des Digitalrates der Bundesregierung: Der deutsche Verwaltungsapparat ist im internationalen Vergleich weit abgeschlagen, bei den Technologien sieht sie Deutschland „stark herausgefordert“, aber in der Old Economy wie dem Maschinenbau stehe man in der Digitalisierung gut da. Nur bei der Verknüpfung von Software und Hardware hake es oft.

Nach Wegen aus der Abhängigkeit gefragt sah Joe Kaeser, Aufsichtsratsvorsitzender bei Siemens Energy, den Staat in der Verantwortung, die notwendige Netzinfrastruktur bereitzustellen. Seine Kritik: Einen Plan dafür könne er nicht erkennen.

Simone Menne, Präsidentin der American Chamber of Commerce in Germany und Multiaufsichtsrätin, betonte die Rolle der EU: Jungen Unternehmen muss es möglich sein, ihre Geschäftsmodelle in Europa zu skalieren. Europa habe zwar einen Binnenmarkt, aber noch zu wenige gemeinsame technische Standards. Dazu gehöre zudem ein gemeinsamer Finanz- und Kapitalmarkt. „Wir haben viele Unternehmen und Gründer. Aber Investoren mit langem Atem fehlen.“ Katrin Suder setzt auf Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen: Der Wettbewerb dürfe nicht mehr national oder europäisch, sondern müsse global betrachtet werden. Eine so ausgerichtete Industriepolitik müsse Technologie- und Sicherheitspolitik sein.

Joe Kaeser kritisierte, Europa habe keine gemeinsame Außenwirtschaftsposition. „Die USA agieren laut. China agiert leise. Europa ist Sprachlos.“ Doch China verstehe nur eine einzige Position, die Position der Stärke. Dazu gehören Bestrebungen der USA und China, ihre technologischen Sphären zu entkoppeln, das so genannte „Decoupling“. Europa könnte darunter besonders leiden, wenn es technologisch gesehen zwischen beiden Sphären sitzt. Das Risiko einer fortgeschrittenen Entkopplung stuft Simone Menne jedoch als eher gering ein: Die Biden-Regierung handelt pragmatisch und sieht China als Handelspartner. Und auch China muss klar sein, so Menne, dass sich globale Probleme nicht lösen lassen, wenn man sich voneinander abschottet.

Interview mit Joe Kaeser

Joe Kaeser über die Bedeutung der industriellen Industrialisierung, die technologische Entkopplung der USA und China sowie die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Außenwirtschaftspolitik.

Interview mit Simone Menne

Simone Menne im Inteview über Abhängigkeiten von Lieferanten, das Risiko eskalierender Handelskonflikte und die Forderung einer europäischen Industriepolitik.

Interview mit Dr. Katrin Suder

Dr. Katrin Suder über die digitale Souveränität Deutschlands, das politische Bewusstsein mit Blick auf die Digitalisierung und die Chancen, den Rückstand wieder aufzuholen.