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Kapitalmarkt-Diskussion

„Die Zentralbanken werden zu spät reagieren.“

Auch auf dem Kapitalmarktpanel war die Inflation eines der beherrschenden Themen. Dr. Oliver Lang, Vorstandsmitglied der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse des Verbandes der Diözesen Deutschlands (KZVK Köln), sieht die Gefahr, dass die Inflation nicht vorübergehend ist, sondern sich zu einem dauerhaften Problem auswachsen könnte. „Die wirtschaftlichen Kosten der Inflationsbekämpfung sind hoch. Deshalb dürften die Zentralbanken zu spät reagieren.“ Zwar werde es kurzfristig aufgrund auslaufender Sondereffekte zu einem Rückgang kommen, dann aber wird die Inflation überschießen, erwartet Lang. Was können Anleger tun? Die KZVK erhöht den Anteil von Public und Private Equity, Immobilien und Infrastruktur im Portfolio. Bis 2025 soll in diesen Anlageklassen die Hälfte des KZVK-Vermögens investiert sein.

Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege der Commerzbank, lobt die Kommunikation der US-Notenbank Fed: „Sie hat das geplante Tapering sehr früh angekündigt und die Märkte damit nicht verschreckt – das hat sie sehr gut gemacht.“ Die EZB hat wegen der hohen Staatsschulden in der EU das größere Problem: In Italien ist Schickentanz überzeugt, dürfen die Anleiherenditen nicht über 3 % steigen. Trotzdem unterschätzen die Notenbanken das Inflationsproblem. Besser wäre es, frühzeitig und schnell zu handeln und so ein Signal in den Markt senden, dass die Inflation niedrig bleiben wird. Allerdings fürchtet er, dass die EZB dies nicht tun wird. Für seine Asset Allocation richtet Schickentanz den Blick verstärkt nach Asien: „China will 2036 größte Volkswirtschaft der Welt sein – das Land gehört ins Depot“.

Dr. Gerhard Ebinger, Geschäftsführer der Seedamm Vermögensverwaltung, schrecken unruhige Aussichten nicht: „Wer die Nerven behält, hat schon viel gewonnen. Wir kaufen, wenn die Märkte gefallen sind“, sagt er. Auch die Inflation sieht Ebinger „nicht als das große Problem“, er erwartet eher, dass die nach seiner Ansicht starke Überbewertung der großen US-Tech-Unternehmen früher oder später zum Problem werden könnte. Positiv sieht er Asien und besonders China, das nach einem schwachen Jahr 2021 für ihn eine Einstiegschance bietet. Nicht zuletzt entpuppte sich Ebinger als Freund der Small & Mid Caps: Gerade unter kleineren und kleinsten Werten gibt es „eine ganze Menge zukunftsfähige Unternehmen und noch viele bisher nicht entdeckte Perlen.“

Dr. Götz Albert, Partner und CIO von Lupus alpha, will wie die anderen Panelisten anhaltend hohe Inflationszahlen ebenfalls nicht ausschließen, sagt aber auch man könne Hoffnung haben, dass die anstehende geldpolitische Normalisierung nicht aus dem Ruder läuft. Ihn stimmt vor allem der mittlerweile 13 Jahre laufende Bullenmarkt gegenüber Aktienanlagen vorsichtig. Zudem würden ihn viele Makrothemen unruhig werden lassen. Noch mehr als ohnehin schon gilt es jetzt, sich die Fundamentaldaten einzelner Unternehmen genau anzusehen. Auf jeden Fall zu meiden sind dabei liquiditätssüchtige Werte. Insbesondere im Segment der Small und Micro Caps sieht er etliche Titel, die aus eigener Kraft nachhaltig wachsen können.