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Margrethe Vestager

„In der EU müssen Mehrheitsentscheidungen die Regel werden.“

Margrethe Vestager, ehemalige EU-Wettbewerbskommissarin, blickte auf die enormen Veränderungen und Herausforderungen, denen Europa heute gegenübersteht. Sie beschrieb die aktuelle Lage als eine Zeit „beschleunigter, unvorhersehbarer Unordnung“, in der das bisherige europäische Wirtschaftsmodell unter Druck geraten ist. Vestager betonte, dass Europa sich nicht länger auf alte Sicherheiten verlassen könne und forderte, die eigene Handlungsfähigkeit zu stärken.

Eines ihrer zentralen Anliegen war die Vollendung des europäischen Binnenmarkts. Vestager kritisierte, dass Mitgliedsstaaten immer noch Barrieren errichten und forderte, Unternehmen müssten von Anfang an europaweit agieren können. Europa sei als Handelspartner weltweit gefragt, und neue Handelsabkommen mit Kanada, Mercosur und Indien böten große Chancen. Sie riet, bei Verhandlungen pragmatisch zu sein: „Lasst uns lieber 80 Prozent machen, statt auf die perfekten 100 Prozent zu warten, die nie kommen.“

Auch die Verteidigungspolitik nahm Vestager in den Fokus. Europa müsse aufholen und die eigenen Kapazitäten ausbauen. Für all diese Aufgaben brauche Europa Kapital und einen tiefen, integrierten Kapitalmarkt. „Wir können nur schneller werden, wenn wir bereit sind, das Risiko des Scheiterns einzugehen“, sagte sie.

Abschließend rief Vestager die Politik dazu auf, Selbstvertrauen zu entwickeln und Europa als geopolitischen Akteur zu stärken und betonte, die europäische Bevölkerung stehe weiter hinter dem Projekt EU. Sie forderte: „Die EU braucht Mehrheitsentscheidungen statt Veto-Rechte, um handlungsfähiger zu werden.“ Ihr Appell: Europa muss seine Hausaufgaben machen, den Binnenmarkt vollenden, Innovation und Technologie fördern und mutig nach vorne gehen, um Wohlstand und Demokratie zu sichern.

 

Interview mit Margrethe Vestager

Die ehem. EU-Kommissarin für Wettbewerb benennt die größten Risiken für Europa im kommenden Jahr, erläutert den aus ihrer Sicht notwendigen Ausgleich zwischen Regulierung und Innovationsfreiheit im Technologiesektor und skizziert, was nötig ist, um wirtschaftlich und politisch wieder aufzuholen.