top

Dietmar Siemssen, Gerresheimer AG

„Es ist immer wichtig zu disrupten.“

Den Spannungsbogen zum Vormittag schloss im letzten Vortrag des Tages Dietmar Siemssen, CEO der Gerresheimer AG. Zum Auftakt berichtete er von einer aktuellen Investition in den USA im Volumen von 90 Mio. US-Dollar. Zuschuss des US-Gesundheitsministeriums: 70 Mio. US-Dollar. So, könnte man sagen, geht Förderung von Innovation. Für Gerresheimer bedeutet Innovation: Wie wird aus einem Spezialisten für Medikamentenverpackungen, der über Jahrzehnte kaum gewachsen ist, ein Wachstumsunternehmen mit innovativen Produkten?

Der Geschäftsbereich „Drug Delivery“ etwa entwickelt neue Methoden, wie ein Medikament in den Patienten hineinkommt. Bekannteste klassische Methode: die Spritze. Heute ist man da weiter: Inzwischen lässt sich mittels Sensoren zurückverfolgen, ob und wann ein Patient sein Medikament genommen hat; ob auf die richtige Weise und in der richtigen  Menge; und ob der Wirkstoff im Körper überhaupt angekommen ist. Sogar Prognosen lassen sich machen, zum Beispiel, dass ein Parkinson-Patient in den kommenden 48 Stunden einen so genannten Freeze, eine vorübergehende Muskelstarre, haben wird. Das eröffnet ganz neue Behandlungsoptionen.

Neben der Digitalisierung, die derart „schlaue“ Geräte und Verfahren ermöglicht, gibt es zahlreiche weitere Megatrends im Pharmaumfeld, auf deren Basis sich neue, innovative Geschäftsfelder erschließen lassen: Zugang zu Gesundheitsvorsorge in Schwellenländern; wachsende Bedeutung der Biotechnologie; Impfungen als Wachstumsmarkt; Selbstmedikation; Individualisierung der Medizin; Gesundheitskosmetik; Alterung der Bevölkerung und damit die Verbreitung chronischer Krankheiten; steigende Gesundheitskosten; strengere Regulierung; Nachhaltigkeit.

Auch der steigende Kostendruck setzt Impulse frei. Die Pharmaindustrie, erwartet Siemssen, wird sich dorthin entwickeln, wo die Automobilindustrie schon seit Jahren ist: Große Anbieter werden sich  mehr und mehr mit Systemlieferanten umgeben, wie Bosch oder ZF im Automobilbereich.

Am Morgen wurde auf dem Podium diskutiert, wie weit es börsennotierten Unternehmen überhaupt möglich ist, neue Produkte und Geschäftsmodelle zulasten etablierter Produkte auf den Markt zu bringen. Dazu Siemssen: „Meine Investoren, die Eigentümer, wollen Cashflow sehen. Aber der Cashflow aus Neuinvestitionen fließt erst nach ein paar Jahren. Trotzdem gibt es kein Zurück. Es ist immer wichtig zu disrupten … und am besten sich selbst.“